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Rabiusa Logbuch

von Liliane Waldner

Einführung in die Rabiusa

Die Rabiusa entspringt auf 2‘700 m.ü.M. am Nordhang des Bärenhorns. Der bündnerische Fluss ist 32 Kilometer lang und fliesst durch das Safiental. Er mündet auf 620 m.ü.M. in der bekannten Vorderrheinschlucht unterhalb von Versam in den Rhein. Der Zugang zur Mündung ist weder via Versamer Tobel noch Vorderrheinschlucht möglich, weil Tobel wie Schlucht zu tief eingeschnitten sind.

Mehr über die Rabiusa auf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rabiusa



27. Mai 2018: Versam Islabord - Versam Post

Die heutige kurze Auftaktwanderung dient dazu, trotz der Unzugänglichkeit der Mündung der Rabiusa in den Rhein einen besseren Einblick in das Mündungstobel und dessen Umfeld in der wuchtigen Ruinaulta zu erfassen. Bei meiner Ruinaulta-Winterwanderung im Dezember 2016 konnte ich mir von der Strassenbrücke aus einen Eindruck über das Versamer Tobel verschaffen.

Ich starte bei der Postautohaltestelle Versam Islabord und gehe auf dem Wanderweg Richtung Islaplanggen. Trotz des Waldes erhalte ich atemberaubende Tiefblicke zur Ruinaulta, der Chrummwag und sogar zum Mündungsdelta der Rabiusa. Der anfänglich leichte Weg verengt sich zum steilen, schmalen Pfad, der einiges von mir abverlangt. Ich muss vorsichtig gehen und komme nur im Zeitlupentempo voran. Oben steht auf dem Schild, dass der Planggenweg für Velos verboten ist. Eine Sitzbank lädt zur Rast ein. Danach gehe ich auf gutem Weg zum felsig ausgesetzten Aussichtspunkt mit Tiefblick in das Tobel sowie Ausblick in das Safiental. Tief unter mir liegt die Brücke, über die ich im Winter 2018 gelaufen bin. Ab der Ruhebank bis zur Postautostation Versam Post gehe ich ohne Hilfe der Stöcke. Unterwegs sehe ich noch Kapuzinerrosen an einem alten Gebäude. Seit 200 Jahren sollen an dieser Hausfassade Kapuzinerrosen wachsen, die aus Asien hergebracht wurden.

Die Wanderung sollte in anderthalb Stunden zu schaffen sein. Ich habe natürlich viel länger gebraucht. Es gibt von Islabord nach Versam Post einen einfachen Wanderweg, aber er bietet nicht diese spektakulären Ausblicke.

Der folgende Bildrotator zeigt sowohl die Bilder aus dem Dezember 2016 wie die Bilder vom 27. Mai 2018.
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7. Juli 2018: Versam - Stausee Egschi

Ich habe auf der östlichen Uferseite einen interessanten Höhenweg von Versam bis zum Stausee Egschi sowie der Postautohaltestelle Egschi ausgemacht. Die Wanderzeit dauert laut Wegzeichen von Versam Post bis zur Versamer Brücke über das Tobel 30 Minuten. Auf der anderen Seite der Brücke steigt links ein guter Weg Richtung Sculms an. Hier dauert die Zeit eine Stunde 45 Minuten. Diesem Weg muss fast bis Sigl Ault gefolgt werden. Zuvor kann via Spitzkehre auf das stille Strässchen bis Sculms gegangen werden. Von diesem Höhenweg kann das tief eingeschnittene Safiental gut überblickt werden, aber die Rabiusa fliesst tief unten im Tobel. Von Sculms bis Egschi zeigt das Schild zwei Stunden 30 Minuten an. Insgesamt beträgt die Wanderzeit vier Stunden 45 Minuten.

Sculms besteht aus den drei Weilern Vorderhof, Mittelhof, Innerhof. Heutzutage scheinen die alten Häuser als Ferienhäuser genutzt zu werden. Ab dem Mittelhof beginnt der Naturweg durch das grosse Waldreservat Aclatobel, das sich beidseits der Rabiusa erstreckt. Das Aclatobel liegt auf der Gegenseite. Unser Weg quert zuerst das Ultumtobel. Danach folgen das aufregende Geisstobel und das Usser Salatobel. Der gut und sicher angelegte Weg quert eine spektakuläre Felsenlandschaft mit aufregenden, senkrechten Tiefblicken in das Flusstal. Zwei kurze Fussgängertunnels wurden durch die Felsen gesprengt. Beim Geisstobel laden Sitzbänke zur Rast ein. Sie sind durch überhängende Felsen geschützt. Dort treffe ich auf drei Frauen, die von Safien herkommen. Es sind die einzigen Wandersleute, die ich auf diesem Höhenweg sehe und ich bin für sie auch die Einzige. Sonst fahren einige Mountainbikerinnen und -biker durch. Erstaunlich, dass ein so erlebnisreicher Wanderweg, der mich an den Weg durch die Schinschlucht erinnert, nur so schwach erwandert wird! Beim Usser Salatobel wird der Weg zum Pfad, aber dieser ist immer noch genügend breit, um Adrenalin-frei zu gehen, trotz der atemberaubenden Tiefblicke. An meiner Beurteilung ändert auch das Holzkreuz nicht, das daran erinnert, dass dort vor Jahren ein Hanspeter umgekommen ist. Im Postauto erfahre ich, dass es sich um einen Velofahrer gehandelt hat. Für Fussgängerinnen und Fussgänger ist der Weg genügend breit, um nicht über die Kante hinaus zu geraten.

Nach den spektakulären Tobelstrecken zieht sich der breite Waldweg noch lange bis zum Stausee von Egschi. Danach geht es nach Querung der Staumauer steil hinauf zur Postautohaltestelle Egschi. Die heutigen Wege im Safiental sind weiss-rot-weiss markiert, im Gebiet der Dranse im Wallis sind die dort gelb markierten und als leicht eingestuften Wanderwege technisch weit anspruchsvoller. Die Farben könnten glatt vertauscht werden.

Links:

https://www.gr.ch/DE/institutionen/verwaltung/bvfd/awn/dokumentenliste_afw/3_4_3_3_017_aclatobel_beschrieb.pdf
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14. Juli 2018: Stausee Egschi - Safien

Die heutige Etappe ist mit 2 Stunden Wanderzeit als kurz angeschrieben, aber sie fordert mich motorisch ungleich stärker als die Voretappe. Ich gehe von der Postautohaltestelle wieder an den Stausee hinunter und fotografiere die Kunstinstallation Egschi Shell des Künstlers Bob Gramsma. Im Safiental sind während dieses Sommers Freilicht-Kunstinstallationen verstreut ausgestellt. Danach geht die Wanderung los. Bis Neukirch ist auf dem ruppigen Pfad auch eine Schrunde zu bewältigen.

Das Kirchlein von Neukirch steht auf einem Felsvorsprung. Die Kirchen im Safiental sind reformiert, weil die zugewanderten Walser nach der Reformation dem neuen Glauben beigetreten sind. Sie haben alle eine spezielle Geschichte und es gibt auch einen Kirchenwanderweg. Nach der Kirche passiere ich das Gelände des Open Airs samt dem im Wald verteilten Zelt-Dorf. Das Open Air ist klein und familiär.

Ab der Rainmatte führt ein schmaler Waldpfad nach Safien und ich bin froh, dass er ein Ende nimmt. In Safien besuche ich das leicht oberhalb des Kraftwerks-Gebäude platzierte Kirchlein und geniesse darin einen Moment der Stille. Die Kombination von Kirche und Wasserkraft schafft einen besonderen Kraftort. Danach kaufe ich im Dorfladen lokale Spezialitäten und mache einen Kaffeehalt.

Links:

https://safiental.ch/DE/tourismus.html
https://kirche-safiental.ch/von-kirche-zu-kirche.html
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5. August 2018: Safien - Turrahus

Die Wanderzeit ist mit dreieinhalb Stunden angegeben. Das kleine Kaffee neben der Bushaltestelle ist leider geschlossen und ich muss zuerst zur Kirche an der anderen Seite des Stausees laufen, um auf das WC zu können.

Danach steige ich auf einem steilen Waldpfad bis Hof. Die alten Häuser gehören zu den historischen Walsersiedlungen, die auf dem ganzen Hang verstreut sind. In Hof lädt mich ein Mann ein, auf seiner Bank zu rasten und von seinem Brunnen Wasser zu trinken. Er betreibt das Haus mit seiner Frau als Feriensitz. Der alte Teil stammt aus dem 17. Jahrhundert. Von Hof gehe ich das Strässchen entlang zur Siedlung Camanaboden. Dort steht das kleine Heimatmuseum Safien. Ich genehmige mir jedoch im Gebäude samt Hofladen nebenan den verspäteten Kaffee samt hausgemachtem Kuchen.

Weil ich langsam bin und es heiss ist, steige ich jedoch nicht zu den Camaner Hütten hinauf, wo die alten Walser zahlreiche Ställe gebaut haben und die Teil der Kulturlandschaft bilden. Die Camaner Hütten sind von Innercamana aus gut sichtbar. Danach gehe ich auf dem verkehrsarmen Strässchen bis Thalkirch. In Thalkirch kaufe ich Salsiz in einem Hofladen. Die Rabiusa fliesst jetzt nahe und spärlich. Von Thalkirch ist es nicht mehr weit zum Turrahus mit seinem Bergasthaus und der Postauto-Endhaltestelle. Ich besichtige den Ausstellungsstall, der über die Bauweise der Safier Ställe und die Walser Kulturlandschaft mit ihrer Streubauweise informiert.


Links:
https://www.museums.ch/org/de/Heimatmuseum-Safien
https://www.naturpark-beverin.ch/de/safier-staelle
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19. August 2018: Turrahus - Alp Piänetsch

Es gibt keinen Wanderweg oder Bergweg in die Nähe der Quelle der Rabiusa. Ich kann nur eine Annäherung versuchen. Die Rabiusa entspringt unterhalb der Bärenlücke beim Bärenhorn. Auf der Website Alternatives Wandern wird gesagt, das Bärenhorn sei von der Alp Piänetsch sichtbar. In drei Stunden könne weglos über Alpwiesen zur Bärenlücke gewandert werden. Eine andere Möglichkeit ist, vom Safierberg ebenfalls weglos über das Bärenhorn zu steigen und zur Bärenlücke abzusteigen. Beides kommt für mich nicht in Frage.
Ich versuche die Variante Alp Piänetsch. Sie ist ein Aussichtspunkt. Ab Turrahus wandere ich bis zur Alp Piggamad. Unterwegs komme ich an zwei Kunstinstallationen vorbei. Jene beim Ausgleichsbecken Wanna ist besonders. Bereits von weitem höre ich etwas wie Motorenlärm und wundere mich, dass in dieser Gegend Modell-Rennautos zugelassen sind und lärmen dürfen. Ich blicke herum, um etwas von der Lärmquelle zu sehen. Beim Ausgleichsbecken klärt mich eine Tafel auf. In den dort aufgestellten Bienenhäuschen leben 3‘000 Bienen. Deren Summen wird aufgenommen und durch Lautsprecher in der Landschaft übertragen. Das Bienensummen hört sich an wie Rennboliden.

Bei Piggamad zweigt ein holpriges Alpsträsschen ab, quert die Rabiusa und schlängelt sich in einigen Kehren bis zur Alp Pianätsch hinauf. Während der ganzen Zeit begleitet mich der tosende Wasserfall des Gletscherbachs, der unterhalb des Wisshorns hinabstürzt. Von der Alp aus sehe ich noch nichts vom Bärenhorn. Ich passiere die morastigen Böden um die Alp herum und steige etwas weiter hoch, bis ich wenigstens einen Blick auf das Bärenhorn erhaschen kann. Ich gehe nicht weiter, denn es tröpfelt schon seit einer Weile und es verstärkt sich. Ich will mit meinen Stöcken nicht einem Gewitter ausgesetzt sein. Ich hocke bei der Alp für eine Rast auf eine halb geschützte Bank. Ein Murmeltier pfeift oben am Hang und der Hahn antwortet mit seinem Krähen. Es ist niemand auf der Alp. Erst beim Abstieg kommt mir ein Jeep entgegen. Ein gewöhnliches Auto würde auf dieser Strasse kaputt gefahren. Das Strässchen wurde übrigens von internierten polnischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg gebaut. Beim Abstieg werde ich von einer Familienmutter als die Frau vom Fernsehen erkannt.

Vielleicht hätte ich vom Bärenhorn und der Lücke noch mehr sehen können, wenn ich weiter gegangen wäre. Kurz bevor ich beim Turrahus ankomme, fängt es an zu donnern. Umkehren ist richtig gewesen. Wie heisst es doch im Song: „I did my best“. Zumindest der Postautochauffeur zurück nach Versam hat es getan. Er hat die Passagiere vortrefflich und witzig unterhalten und die touristischen Sehenswürdigkeiten und Wandermöglichkeiten dieses stillen Tales erklärt. Dieser Chauffeur ist Extraklasse.
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4. September 2018: Turrahus - Wasserfall Gletscherbach

Die Rabiusa lässt mich nicht los. Wenn kein Bergweg zur direkt zur Quelle unterhalb der Bärenlücke führt, will ich wenigstens ein anständiges Bild über das Quellgebiet knipsen. Ich laufe von Turrahus wieder bis zur Alp Piggamad und weiter bis zum Wasserfall des Gletscherbachs. Von dort kann ich ein schönes Bild schiessen. Leider kippt das Wetter wieder, so dass ich nicht weiter auf dem Bergweg Richtung Safierberg gehe, um noch etwas näher an die Quelle zu kommen. Der Bergweg zweigt Richtung Pass ab und gelangt bei weitem nicht zur Quelle. Jetzt erst kann ich sagen: „I did my best“. In Thalkirch gerate ich in einen Regenschauer. Da denke ich an den jungen, freundlichen Mann, der mit dem anderen Postauto nach Tenna hinaufgefahren ist, um den Piz Fess zu besteigen und irgendwo in der Höhe im Zelt zu übernachten. Auf der Heimfahrt trocknen meine nassen Hosen.
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